2 Tage auf Schotter- und Waldwegen in Tschechisch Kanada

Geburtstags Gravel Grinduro

November 2023, ich feiere meinen 40er, und zwar mal ohne Kinder, sondern an einem romantischen verlängerten Wochenende mit meiner Partnerin, die mir nur gesagt hat, dass ich mein Gravelbike aufs Auto laden soll und dass wir herbstliche Temperaturen und vielleicht ein bisschen Regen zu erwarten haben. Wir fahren von unserem Haus in Liebenau im Mühlviertel in Richtung Waldviertel, wo es zu schneien beginnt, und dann im Dunkel des Novembers durch ein gefühltes Niemandsland, an verfallenen Höfen und – wie wir später recherchieren werden – durch gestrichene Ortschaften vorbei bis zu einem wunderschönen, riesigem und komplett neuem Apartment in einem Ort namens Staré Město pod Landštejnem. Bei Wein und Pizza erfahre ich das Ziel der Geburtstags-Reise: wir werden die Strecke des Blinduro-Gravel Rennens in einer der schönsten Waldlandschaften Mitteleuropas fahren.

Gravel-Biken im Indian Summer, und das ganz ohne nach Kanada fliegen zu müssen.

Kanada mit Ostblock-Charme

 

Wer schon in Kanada war, kennt es: bunte und naturbelassene Wälder, dazwischen Seen, kleine Blockhütten und ein endloses Netz aus einsamen Straßen. Dieses Kanada ist eigentlich gleich um die Ecke. In Tschechien. Knapp nördlich des niederösterreichischen Waldviertels, an der historischen Grenze zwischen Böhmen und Mähren. 

 

Die höchste Erhebung ist der Berg  Vysoký kámen bei Kunžak (738m), die Landschaft ist also eher sanft hügelig als gebirgig, dafür ist sie durchsäht von Burgen, Schlössern und Ruinen, wie der Burg Landštejn (deutsch Burg Landstein) in der Gemeinde Staré Město pod Landštejnem. Und, dem Wald- und Mühlviertel im Norden Österreichs nicht unähnlich, gibt es viele Granitblöcke und -formationen. Eine der bekanntesten ist sicher der “Ďáblova prdel”, oder “Devil’s Ass”, der “Hintern des Teufels”. 

Ein Gravel-Bike ist auf den tschechischen Schotterstraßen und Radwegen ideal. Wir sind schnell unterwegs, Sigrid machen allerdings die groben Steine etwas zu schaffen: sie hatte 2020 einen doppelten Bandscheibenvorfall. Mit ihrem Trek Checkpoint setzt sie daher auf eine Heckfederung. Mein Specialized setzt auf eine Frontfederung, beides schlägt sich in diesem Terrain aber wirklich gut.  

Letztes Bild: könnte sein, dass Sigrid den Weg etwas verfehlt hat. 

In diesem Gebiet zwischen der Stadt Nová Bystřice, der Burg Landštejn, dem Teufelshintern und dem höchsten Punkt von tschechisch Kanada liegt ein kleines Paradies für Gravelbiker und Radfahrer. Das “Cyklocamp” in Staré Město ist ein Zeichen dafür: wer sich zurück in die Zeit des Urlaubs während des Eisernen Vorhangs, mit dem Geschmack von Pionier- und Jugendlager, begeben möchte, sollte dort unbedingt hinfahren und eine Nacht dort zelten oder in einer der Hütten und Bungalows übernachten (www.cyklocamp.cz @cyklocamppodlandstejnem). Es gibt mittlerweile auch eine BikeBar und eben ein jährliches Gravelevent mit Start in der Nähe des Camps: das Gravel-Blinduro (www.blinduro.com/zavody/gravel-blinduro @gravel.blinduro), einem 70+ km/1000hm+ “Fun Gravel Race” an zwei Tagen, wobei die selbe Strecke an zwei Tagen in jeweils umgekehrter Richtung gefahren wird. Dass Tschechien für seine herausragenden Bierbrauereien und für den weltweit höchsten pro-Kopf Bierkonsum bekannt ist, trägt sicher zum “Fun-Faktor” des Rennens bei. 

Am nächsten Tag laden wir also die GPS Daten auf das Garmin, packen noch Sigrids Proteinbällchen und Essen aufs Rad und starten los. Die Strecke ist wirklich genial, ein im Prinzip ständiges Auf-und-Ab über zum Teil spaßige bis eher arge Schotter-Wald-Pisten, die jetzt, im Herbst, mit den vielen bunten Blättern noch ein Schwierigkeits-Level-Up bekommen. Mal ist man im dichten Wald und eigentlich bin ich froh, dass wir da zu zweit sind, und mal fährt man durch lichtere, höher gelegene Abschnitte, durch kleine Dörfer und an malerischen Seen mit zugehörigen Campingplätzen vorbei, an denen wir beschließen, im nächsten Sommer zelten zu wollen. 

 

Ein Highlight – fahrtechnisch und landschaftlich – ist die Erhebung rund um die Felsformation “Devil’s Ass”, den wir allerdings verpassen – da dürften die GPS Koordinaten nicht ganz korrekt gewesen sein. Aber der Wald hat gerade Indian-Summer-Qualität und es ist sowieso spektakulär. Es war zwar in der Nacht kalt, aber tagsüber ist es noch recht warm geworden und den Wind spüren wir im Wald kaum. Die Sonne scheint, das Fahren geht leicht und ich bin in meinem Rad-Flow-Himmel. Sigrid, klar die Läuferin unter uns, ist schon ein bisschen fertig. Ein paar Kilometer weiter sind wir dann bei der Verfassung “Ich werfe dann mein Rad hinter einen Baum und laufe weiter”. Ich weiß, dass ihr seit ihrem Bandscheibenvorfall holprige Straßen wirklich weh tun können, und wir fahren langsam den Rest der Strecke bis wir wieder das Cyklocamp sehen. Zurück im Apartment gibt es Bier, Pizza und noch eine Spazierrunde, damit es Sigrids Rücken wieder ein wenig besser geht. 

Am nächsten Tag sind die Schmerzen und der grobe Schotter vergessen und Sigrid schlägt noch eine Radtour vor. Wir fahren zur riesigen Burgruine, die über dem Ort thront, und dann wollen wir doch noch den “Devil’s Ass” besuchen, der Name ist doch zu verlockend. Diesmal finden wir ihn, der Wald rund um die Felsen ist für ein Gravelbike durchaus technisch, vor allem gemixt mit dem vielen Laub. Aber andererseits macht es das auch wirklich schön. Flow-Momente vom Feinsten. Zurück fahren wir zuerst zum Aussichtsturm Rozhledna U Jakuba. Dort bläst der Wind schon recht heftig, aber der Aussichtsturm ist definitiv einen Abstecher wert. Man erreicht eine Art Wild-West-Mini Fort im Blockhüttenstil, und am Fuß des Turmes ist ein Kiosk, in dem ein einsamer Angestellter fragliche Snacks und – da Nachsaison herrscht – nur noch “Cowboy-Kaffee” serviert. Der ist aber heiß und gut, wir trinken ihn im Windschatten des Turms, genießen dann noch schnell die Aussicht von oben und fahren dann in einer Schleife zurück zum Dorf. Beim Auto gibts dann nochmal Kaffee vom Gaskocher und wir fahren heim ins Mühlviertel.

Fazit: unweit von daheim, knapp nach der Grenze zu Tschechien, ist ein echtes Wald-Wildnis Paradies. Wer an einem malerischen See mitten im Wald an einem der vielen Campingplätze campen möchte, oder wer gern Rad fährt, ist hier gut aufgehoben. Neben den unzähligen Schotter- und Waldstraßen gibt es hier auch ein richtig großes Netz an Radwegen, die eigentlich schon Straßen (in eher schlechtem Zustand) sind, dafür ohne Autoverkehr und mitten im Wald – für Familien auf jeden Fall lohnenswert, Rennräder sollten auf Grund des Belages aber aufpassen. Kann gut sein, dass wir bei einem der nächsten Grinduro-Rennen wieder kommen, vielleicht aber auch einfach wieder für ein verlängertes Genuss-Wochenende zu zweit.

Am zweiten Tag haben wir ihn dann doch noch gefunden: „Devil’s Ass“. 

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