Eine Frauen-only Bikepacking Rally im Wilden Westen Europas

Komoot Badlands Rally

Verwittert, verbraucht, verbrannt. Nach acht Tagen ähnelt der Zustand meiner Haut dem der zahlreichen Ruinen in den spanischen Badlands in Andalusien. Staub, Schweiß, Sonnencreme, Sonnenbrand und Kettenöl bilden eine Schicht, die erst nach der Entleerung einer kompletten Boilerfüllung der Dusche im Airbnb in Almería wieder verschwindet.

Der Sonnenuntergang taucht die Wüste in ein warmes Licht.

Die Story der Komoot Women's Rally

Ich bin mitten in einer der für mich faszinierendsten, neu entdeckten Gegenden Europas, auf einer Bikepacking-Rally von über 700 km und fast 13.000 Höhenmetern, meiner ersten Rally dieser Art und definitiv nicht meiner letzten. 

 

Die Rally wurde von Komoot organisiert und die Route von David Rodríguez Galán und der Crew des jährlichen Badlands Gravelbike-Races – der “wildesten Gravelbike-Challenge Europas”, wie die Veranstalter sie nennen – wirklich grandios gestaltet. Die Rally richtet sich an alle, die sich als Frauen identifizieren, also auch alle im LGBT+ Spektrum, womit immer noch stark unterrepräsentierte Gruppen von Fahrerinnen einmal hervorgehoben werden sollen. 

 

Die Rally ist auch kein Rennen. Es gibt einen gemeinsamen Start in Granada und das Ziel ist es, rechtzeitig zur Abschlussparty an den Strand in Almería zu kommen. Ja, es gibt einen vorgegebenen GPS Track, der mit viel Sorgfalt und Leidenschaft ausgewählt wurde, aber alles dazwischen ist auch erlaubt: Abkürzungen, Routenänderungen, alles ist drin. Lael Wilcox, die amerikanische Bikepacking und Ultracycling-Legende, die auch dabei ist, begrüßt uns beim Dinner am Vorabend mit der Botschaft, dass wir uns jetzt vor allem eine gute Zeit machen und die Fahrt genießen sollen. 

Die 75 Teilnehmerinnen der Komoot Women’s Badlands Rally beim Start in Granada.

Die Essenz der Rally: Abenteuer und Gemeinschaft

Es gibt also keine Startnummern und keine Zeitnehmung, es geht um die Gemeinschaft von 75 Frauen, die in den 8 Tagen am Rad einfach nur eine geile Zeit haben wollen. Relativ schnell nach dem Start bilden sich auch die ersten kleinen Gruppen von in etwa gleich starken Fahrerinnen, und ich finde mich auch in einer Gruppe von 9 (und natürlich fahren wir auch immer wieder mit anderen ein Stück zusammen) unglaublich starken, liebenswerten und allesamt großartigen Mädels ein und gemeinsam haben wir genau das: eine wirklich geile Zeit. In meiner Gruppe sind Triathletinnen, Mountainbikerinnen, Roadbikerinnen, Schotterenthusiasten, Mechanikerinnen, Bergziegen, Downhill-Junkies… eine jede hat ihre Stärken und Schwächen und wir helfen uns, lachen viel, motivieren uns, pinkeln in Reih und Glied alle gleichzeitig neben der Straße, baden nackt im Lavatorium (einem offenen Waschhaus) und springen genauso nackt am öffentlichen Strand von Cabo de Gata ins Meer, sehr zur Freude der alten Herren an der Promenade. Wir trinken Wein und Bier, rauben Supermärkte und Snackwagons aus, singen, tanzen, teilen unser Essen und essen viel, kochen und schlafen zusammen mal in einer Halle, mal einer Höhle, mal im Zelt am Strand, mal im Waschhaus oder am Fußballplatz. Wir reden über Gott und die Welt und manche Gespräche gehen tiefer, unter die Haut, und es fließen auch mal Tränen, weil das Leben eben manchmal ist wie die Badlands selbst: rau, mal steil rauf, euphorisch, mal steil runter, mal sehr mühsam. Wir sind auch auf emotionaler Ebene eine echte Gemeinschaft geworden.

 

Die wirklich steilen 20% und mehr Betonrampen nehmen wir mit Humor, durch den weichen Sand schieben und fluchen wir alle miteinander, den tiefen Schotter bewältigen auch irgendwie alle miteinander und alles geht mit einer Leichtigkeit, die wir, wären wir allein unterwegs, sicher nicht so hätten. 

Tag 1 der Badlands Rally. (c) Images by Ashley Gruber  Insta: ashleygruber

Tag 1

Granada - Fin del Mundo

Und dann diese Landschaft! Jeder Tag fühlt sich von der Fülle der Eindrücke her an, als wären es drei Tage gewesen. Die Architekten dieser Strecke haben wirklich Meisterleistungen vollbracht: wir erleben 6 kulturelle und geographische Highlights von Andalusien: 

 

Der Start der Rally ist unterhalb der Alhambra in Granada, dann geht es in steilen Serpentinen hinauf und dann kommt nochmal dieser großartige Ausblick zurück auf Granada und sein Weltkulturerbe. Die meisten Fahrerinnen bleiben nochmal extra stehen und Lael gibt allen vorbeifahrenden noch ein High Five auf den Weg.

 

Weiter geht es durch den Naturpark Sierra de Huétor, der wie ein natürlicher Balkon über dem Tal von Granada liegt. Wir fahren durch die Bergkette mit duftenden Kiefern-, Zedern- und Tannenwäldern auf quasi perfektem Schotter hinunter zum nächsten Highlight:

 

Zum Aussichtspunkt (spanisch Mirador) del Fin del Mundo, berühmt für seine karge Schluchtenlandschaft mit den vielen Höhlenwohnungen und Dolmen. Allein schon der Name! – und er passt zu der Weltuntergangsstimmung, die uns dort erwartet, denn es wird ziemlich düster und ein paar Regenschauer ziehen über uns hinweg, während ein paar von uns in einem Dorf in einer Bar ein Nachtquartier für viele organisieren. Wir schlafen dann in einem riesigen Speisesaal am Boden, der Besitzer bringt uns Holz für den Ofen, auf dem jene aus UK das Socken-Trocknen übernehmen (könnte sein, dass dabei ein paar angeschmolzen wurden), wieder andere übernehmen die Organisation (es gibt eine Check-In Zone für Nachkommende, die Changing Zone, wo die nassen Sachen ausgezogen werden, die Transition Zone in die auch der Gang zu der Dusche (sehr kalt, wie alle folgenden Duschen) mündet und schließlich die Wohn-Zone. Wieder andere fahren mit dem Vermieter 20 Pizzen für alle holen, und am nächsten Tag wird säuberlichst aufgeräumt und die Restpizza gegessen.

 

Das alles war erst Tag eins.

Tag 2 der Badlands Rally. (c) Images by Ashley Gruber  Insta: ashleygruber und Karin Eibenberger (2,4,5,6,7,9,10,11,12)

Tag 2 - Canyons, Singletrails, Party

Von der Gorafe Wüste in die Partyhauptstadt

Das nächste Highlight ist die Gorafe Wüste in La Hoya de Guadix. Unsere Gruppe radelt zu 80% unterkoffeiniert erst müde, dann immer motivierter in den Sonnenaufgang über dem Ödland, immer in Hoffnung auf die Kaffeebar, die wir punktgenau zur Öffnungszeit erwischen (in Berücksichtigung von spanischem Punktgenau und spanischer Öffnungszeit). Wir bestellen den landestypischen Cafe con Leche, einen meist ziemlich guten und starken Milchkaffee, und dazu Tostadas, also getoastete Baguettes mit verschiedenen Belägen. Der Wirt bringt uns die Teller und auf jedem liegt ein Zettel mit einer kleinen Botschaft: “Möge der Tag so sonnig sein wie deine Ausstrahlung“ und Ähnliches steht auf den Zettelchen. Koffein und Kalorien waren gut, denn es folgt eine steile Betonrampe auf das Hochplateau der Gorafe-Wüste. Aber gemeinsam schafft man ja die steilsten Rampen. Jemand macht oben Drohnenfotos von uns und ab geht es in die Schluchten der Gorafe-Wüste. Erst noch auf einer Schotterstraße, dann in einem Flussbett. Es wird ein bisschen technisch, aber alle sehen mehr als glücklich aus. Die Wüste ist einfach nur spektakulär. Nach den Regenfällen war nicht ganz klar, ob die Wüste überhaupt befahrbar ist, und ob wir nach der ersten Schleife durch die Wüste auch die zweite Schleife in Angriff nehmen können, jedoch ist der Boden trocken und wir fahren in den zweiten Teil der Gorafe, der ein absolutes Rad-Highlight ist: ein mit Gravelbike gut befahrbarer, glatter Single Track hoch oben am Rand des Plateaus. Einfach nur schön, allerdings sollte man sich schon konzentrieren um nicht vom Weg abzukommen, es geht stellenweise doch ganz schön runter und das stachelige Gras und der manchmal tief eingeschnittene Track verlangen nach Aufmerksamkeit. 

 

Weiter geht es gedacht einfach, gefühlt hardcore, steil in die Stadt Bacór, in der wir eine Pause einlegen. Wir essen patatas bravas, frittierte Kartoffeln, und setzen damit auf den letzten Kilometern nach Gor unsere stärkste Fahrerin außer Gefecht. 

 

Gor selbst ist die Party Hauptstadt der Badlands Rally wird uns erzählt, und tatsächlich scheint die Stadt sogar wegen uns in einem kleinen Ausnahmezustand zu sein. Wirt und Bürgermeister laden uns auf Bier, Essen, Duschen und auf einen Schlafplatz ein. Dann die Nachricht, dass am nächsten Tag ein Gewitter am Radar ist. Das erste Mal seit den Komoot Women’s Rallys wird damit ein offizieller Rasttag angeordnet, zu hoch ist das Risiko, während der Etappe am nächsten Tag von einem Gewitter überrascht zu werden. Möglichkeiten, Routenänderungen, Planänderungen werden diskutiert, aber es wird kollektiv eingesehen, dass wir alle geschlossen in Gor warten bzw dass jene, die davor nicht bis Gor gefahren sind, hierher nachkommen und wir von hier dann am übernächsten Tag gemeinsam starten. 

Tag 3 der Badlands Rally. (c) Images by Ashley Gruber  Insta: ashleygruber (1,2,3,4,5,7) und Karin Eibenberger 

Tag 3 - Gewitter, Party, Schnitzeljagd und Zwangspause

The Alley Cat

Genialer Weise tüfteln ein paar Teilnehmerinnen an einer Schnitzeljagd am Rad, die sich vor dem Gewitter noch ausgehen sollte. Als Preis winken Ruhm, Ehre, Erdnüsse und spanische Gummibärchen. Es gibt einen Preis für das schnellste 4er Team und einen Preis für das kreativste. Meine Gruppe ist stark und hochmotiviert, wir bekommen eine Reihe von Punkten, die wir erreichen und wo wir als Gruppe ein Foto schießen müssen, sowie Zusatzaufgaben. Sowas wie: “findet eine Katze”, “macht ein Foto ohne Füße am Boden”, “macht eine Rutschpartie” oder “stellt die spanische Flagge nach”. Hätten wir auf Komoot vertraut, wären wir vielleicht nicht in die Schotterstraße am Weg zum ersten Punkt abgebogen, hätten das Rad nicht durch zwei geschlossene Tore geschoben und über einen Zaun gehoben, nur um dann bei einem noch höheren Zaun in einer Sackgasse zu enden und alles retour zu fahren. Nachdem wir dann noch einige Extrakilometer auf alten Bahntrassen-Gesteinsbrocken inklusive Platten hingelegt hatten, ganz viele Katzen gefunden, ein cooles Rutschfoto auf einem Kinderspielplatz gemacht und eine alte verfallene Eisenbahnbrücke überquert und sicher die meisten Kilometer zurückgelegt hatten, gehörte uns als dem letzten Team im Ziel der Kreativpreis. 

Tag 4 der Badlands Rally. (c) Images by Ashley Gruber Insta: ashleygruber (1,2,3,4,5,10) und Karin Eibenberger 

Tag 4 - Sierra de Baza bis (fast) ans Meer

Traumstraßen und eine Nacht im Waschhaus

Der nächste Tag: ungewöhnlich früh rascheln Schlafsäcke und Isomatten im Matratzenlager, denn die anstehende Etappe hat es in sich: wir fahren von Gor durch die 2000 Meter hohe fast isolierte Bergwildnis bis Velefique, fast 100 Kilometer ohne Versorgungsmöglichkeiten und abseits von allem. Wunderschön und wild, mit einem echten radtechnischen Genussanstieg und einer wunderschönen kurvenreichen Abfahrt durch den Naturpark Sierra de Baza und die Berge der Sierra de los Filabres vom Calar Alto Observatorium (2168m) ist dieser Teil der Strecke. Die Abfahrt ist überhaupt eine der schönsten, die ich je am Fahrrad gefahren bin: in diesem Fall perfekter Asphalt, perfekte Serpentinen und nicht ein Auto auf der gesamten Abfahrt, schöner als jeder Alpenpass. Alle, die ich in dem Café am Ende der Abfahrt treffe, haben dieses Leuchten in den Augen. Dafür sind wir hier, darum fahren wir Rad, das Leben ist in diesem Moment leicht und unbeschwert, wir sind dankbar, einfach nur hier sein zu dürfen. 

 

Nach dem Kaffee ist vor der nächsten Etappe. Nach Velefique geht es staubig in einem ständigen Auf und Ab über Schotter sehr unterschiedlicher Qualitäten durchs Niemandsland, bis wir Venta del Probe erreichen. Wir sind hungrig und durstig und hoffen auf eine offene Bar, werden aber enttäuscht, wir kommen zu spät. Aber wir treffen auf einen Mann, der sich als Betreiber eines Snack-Wagens herausstellt, und plündern diesen, in der Meinung, die Rationen an Chips, Erdnüssen und Cola muss jetzt bis zum Frühstück im nächsten Ort reichen. Auf der Suche nach dem Brunnen des Ortes finden wir dann aber einen Supermarkt. Wir kaufen Brot und Asia-Nudeln, die ich sonst nie essen würde, und Wein. Manu, unsere Spanierin in der Gruppe, fragt sich durch Campingmöglichkeiten bei den Einheimischen und ein junger Mann schickt uns zu dem vermutlich höchst gelegenen Waschhaus mit dem steilsten Zustieg des Landes. Auf gefühlten 35% Steigung schieben wir die Räder die letzten Meter hoch und nehmen das Waschhaus für eine Nacht als Biwakplatz in Besitz. Wir baden im eiskalten Wasser, kochen unser Essen, trinken Wein, breiten unsere Schlafsäcke unter dem Dach aus und schicken unsere stärkste Fahrerin dann um nochmal 2 Flaschen Wein wieder runter in die Stadt und genießen den Sonnenuntergang und am nächsten Tag den Sonnenaufgang über der Wüste. Wer Gas hat, kocht einen schnellen Kaffee und dann radeln wir 30 Kilometer fast ausschließlich bergab einen gut angelegten Radweg ans Meer, nach Agua Amarga. Das erstbeste Café wird angefahren und wir ordern die üblichen Tostadas mit Caffe con Leche, Glück kann so einfach sein. 

Tag 5 der Badlands Rally. (c) Images by Ashley Gruber  Insta: ashleygruber (1,2,3,4,5,6,7,12) und Karin Eibenberger 

Tag 5 - Cabo de Gata-Níjar

Küste der Katzen

 

Die nächste Etappe führt durch den Naturpark Cabo de Gata-Níjar, des größten Küstennaturparks Europas – der noch dazu das trockenste Klima Europas besitzt: nur 160 mm Niederschlag im Jahr werden hier verzeichnet. Die Trails und Straßen sind entsprechend staubig und Fans von Indiana Jones und der letzte Kreuzzug werden die Landschaft als vertraut empfinden – hier wurde nämlich gefilmt. Die Strecke führt an zahlreichen Ruinen vorbei, wir machen ein ausgedehntes Fotoshooting in einer alten Industrieruine und holpern die letzten Schotterkilometer nach San Jose hinunter. Danach gehts es durch diese trockene Landschaft immer dem Meer entlang zuerst recht steil auf den 200 Meter Felsen Vela Blanca und dann zu einem der letzten ikonischen Anstiege des Tages, zum Leuchtturm Cabo de Gata. Flott geht es runter in den Ort Cabo de Gata, wo wir nackt ins Meer springen und dann ein wenig abseits wild am Strand campieren. Cabo de Gata heißt ja übersetzt Bucht der Katzen. Das macht auch Sinn, denn die ganze Nacht werden wir von streunenden Katern wach gehalten, die sich erbitterte Kämpfe auf den Strohdächern über uns liefern. Das Essen hängen wir zur Sicherheit auf, ganz wie im Bärengebiet. Ein besonders fieser rot-weißer Kater, offensichtlich der Platzhirsch der Bucht, wohnhaft im Bootswrack neben meinem Zelt, markiert zwei Zelte (darunter meins) und einen Biwaksack. 

Tag 6 der Badlands Rally. (c) Images by Ashley Gruber  Insta: ashleygruber (1,2,6) und Karin Eibenberger 

Tag 6 - Von Cabo de Gata zu den Western-Städten

Flamingos und Western-Ruinen

Das nächste Highlight in der Früh: der Strand mit den Lagunen von Cabo de Gata. Eine Schiebestrecke im tiefen Sand, bei der zwar nichts weitergeht, aber wir können dafür gut die Flamingos bewundern. Dann wieder ins Hinterland, immer höher hinauf bis in die Bergkette der Sierra Alhamilla, vorbei an alten und neuen Ruinen und Baracken und Gewächshäusern. Das Leben muss hier eindeutig hart erkämpft werden, die trockene Gegend ist lebensfeindlich und doch passieren wir immer wieder kleine Städte, von denen manche in die Kategorie “artsy” fallen würden, voller Kunst, Kultur und Handwerk. Im Wesentlichen besteht der heutige Tag aber aus einem langen 2000 Meter-Anstieg und einer langen 1700 Meter-Abfahrt, über 100 Kilometer verteilt, direkt ins Herz der Tabernas Wüste, einer Wüste aus tief eingeschnittenen Erosionsrinnen und Hügeln. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, und obwohl wir im Moment wegen des Gegenwindes gar nicht schnell vorankommen und am Hinterrad der Vorderfrau kleben, unseren Blick auf die Schlaglöcher und Steine richtend, fliegt die Landschaft quasi an uns vorüber und ich versuche, jeden neuen Blickwinkel, der sich hinter dem nächsten Hügel auftut, wahrzunehmen. Wir sind jetzt mitten in den Badlands angekommen, im Rhythmus der Badlands, in ihrem Takt, ihrem Auf- und Ab, ihrer Rauheit und Schönheit, ihrem Geruch, ihrer Art, mit Besuchern umzugehen, ihrer vollen Wucht aus Hitze und Kälte in einem. 

 

Die Landschaft der spanischen Badlands ist nahezu lebensfeindlich. Trocken und staubig. Die ursprünglich kalkweiß kühl getünchten Häuser nehmen mehr und mehr die Farbe der Wüste an, und so sind die Dörfer bunt in allen Braunschattierungen, ähnlich den minutiös gepinselten Farbpaletten aus dem Zeichenunterricht. Belebte, gepflegte Dörfer wechseln auch mit Ruinen, alten Industrieanlagen, Solaranlagen-Baustellen und ausgedehnten Gewächshäusern und Plantagen. 

 

Nicht umsonst heißt die nächste Stadt, die wir erreichen, Santa Fe. Und nicht umsonst gibt es hier das Westerndorf Fort Bravo und nicht von ungefähr wurden hier Filme wie “Für eine Handvoll Dollar” oder “4 Fäuste für ein Hallelujah”, aber auch “Der Schuh des Manitou” gedreht. Die Wüste ähnelt sehr stark dem amerikanischen “Wilden Westen”. 

 

Niemand von uns hat eine Idee, wo wir die Nacht verbringen werden, aber wir fahren einfach in das nächste Dorf und finden andere Rallyteilnehmerinnen. Der Aussichtspunkt hoch über der Stadt sieht zwar verlockend zum Wildcampen aus, aber nach dem vielen Staub ist die Aussicht auf eine warme Dusche – die erste seit Tagen – auch sehr verlockend. In der Folge wird viel Spanisch gesprochen. Es gibt ein Pilgerheim, denn der Ort ist Durchzugsgebiet des Jakobsweges. Manche haben bereits ein Bett im Pilgerheim. Manche wurden abgewiesen, weil sie keine Pilger sind. Es gibt einen großen Saal und drei Sofas am Gang neben der Treppe im ersten Stock. Im Saal hüpfen derzeit Figuren der Kategorie Krümel-Monster-Tele-Tubby herum: eine Theaterprobe. Scheinbar dürfen wir nach der Probe den Saal als Fahrrad-Garage und Schlafsaal nutzen. Die Luft ist zum Schneiden, alles wartet auf das Ende der Performance und wir treffen auf drei aus unserer Gruppe, die vorgefahren sind und die ein kleines Apartment bekommen haben. Kirsten sitzt mit ihrer Wasserflasche vor der Eingangstür und vertreibt mit gezielten Wasserspritzern die Katzen. Katzen bleiben seit der Cabo de Gata Episode ein Reizthema. Ein Waschmaschinen-Kollektiv wird gestartet und irgendwann ist die surreale Theatergruppe fertig. Ich reiße die Türen des Theater-Schlaf-Saales auf und entscheide, auf der Terrasse vor dem Saal mein Zelt aufzustellen. Wir treffen uns in der Bar des Dorfes, trinken Bier, essen salzige Oliven und werden ein bisschen wehmütig. Morgen ist der letzte lange Tag der Rally. Auch wenn jeder Tag anstrengend ist, es ist auch ein wirklich schön-einfaches Leben: Eat – sleep – cycle – repeat. 

Tag 7 der Badlands Rally. (c) Images by Ashley Gruber  Insta: ashleygruber (1,2,3,4,5,6,7,8) und Karin Eibenberger 

Tag 7 - Die Tabernas Wüste

Tabernas-Wüste und Abschiedsparty

Auch der nächste Tag ist wieder ein Highlight, es geht durch die Tabernas Wüste. 3 Anstiege, 3 Abfahrten. Die Anstiege sind steil, zum Teil sehr steil wieder auf diesen hass-geliebten Betonrampen, aber die Abfahrten durch die wilden Canyons sind einfach nur grandios und sonst nichts. Hohe Felswände, tief eingeschnitten, mal eng, mal weit, ähnlich wie im amerikanischen Death Valley, das ich so liebe. Und das ganze in rasantem Tempo, gut fahrbar, auf unseren Rädern. Und dann der letzte große Anstieg, über 1200 Höhenmeter auf Schotter. Wir machen noch eine Pause, essen und trinken Kaffee und meine Gruppe startet erst um etwa 4 in die letzte Etappe des Tages – Ziel ist das kleine Dorf Fenix, in dem sich alle Fahrerinnen treffen wollen und wo es eine kleine Abschiedsparty geben soll. Es zeigt sich, dass bei diesem Anstieg wohl jede einfach ihr Tempo fahren muss, und ich komme recht schnell voran, es fühlt sich gut an, die Steigung ist genau richtig, der Schotter nahezu perfekt, und so schraube ich mich immer höher hinauf bis auf eine Hochebene. Es wird kalt, eiskalt fast und ich beschließe, nicht auf die anderen zu warten und lieber nach Fenix runterzufahren um nicht völlig auszukühlen, außerdem gibts dort angeblich heiße Duschen. Ich fahre eine gefühlt Ewigkeit hinunter, hoffend, dass es alle 100 Höhenmeter doch wärmer werden sollte. Völlig durchgefroren erreiche ich Fenix, frage mich nach dem Sportplatz mit Zeltmöglichkeit und den Duschen durch und kann gerade noch rechtzeitig in die eiskalte Dusche springen, ehe die Party schon losgeht. Wir treffen uns am Hauptplatz, es gibt Bier mit und ohne Alkohol (mittlerweile liebe ich das alkoholfreie Bier, es gibt fast keine besseren Elektrolyte hier), Tapas und viele glückliche Gesichter. Auch ich fühle mich komplett frei und glücklich. Das Schöne hier ist für mich die Kombination aus Gemeinschaft und Abenteuer, und deswegen sind wir hier. Komoot hat die Rally wirklich wunderbar organisiert und geplant und man konnte immer auf Rat und Hilfe zählen, sollte es mal notwendig sein. Abschiedsessen, dann meine seit Jahren unruhigste Zeltnacht: das Froschkonzert vom aufgelassenen (?) Schwimmbad nebenan hält mich recht lang wach: kaum ist Ruhe eingekehrt, fängt nämlich sicher ein Tenor wieder an und das ganze Konzert lebt von Neuem auf. 

Tag 8 der Badlands Rally. (c) Images by Ashley Gruber  Insta: ashleygruber (1,2,3) und Karin Eibenberger 

Tag 8 - Von Fenix nach Almería

Abschiedsabstieg durch die Los Pedrolos

Letzter Tag: gemeinsame Abfahrt aus Fenix, zwei kurze letzte Anstiege und dann entweder auf Asphalt oder die eher gefürchtete Los Pedrolos Schotter-Abfahrt runter nach Almería. Natürlich will ich auch hier die Originalstrecke fahren und wähle den Schotter, der gerade am Anfang wirklich mühsam ist – grob, spitz und lose und mit den schmalen 40er Gravel-Reifen wirklich nicht gut zu fahren. Etwa in der Hälfte wird der Schotter fahrbarer, doch dann kommt der Wind! Einmal bläst er mein Rad um und ich muss runterspringen. Einmal schiebe ich es um die Kurve. Dann noch eine letzte steile Abfahrt unter einer Autobahnbrücke und ich bin auf Asphalt, in der Zivilisation, in der Stadt Almería, nur einen Katzensprung vom Ziel entfernt. Mit zwei anderen fahre ich gemeinsam die letzten Meter bis zum Strand, wo die Leute von Komoot gerade Getränke und Snacks aus dem Bus räumen – wir warten noch bis der Großteil der Fahrerinnen zurück ist, es gibt emotionale Abschiede, niemand kann eigentlich glauben, dass unser Abenteuer jetzt zu Ende ist und doch verteilen sich alle in eine andere Ecke von Almería oder überhaupt gleich weiter, die Komoot Women’s Badlands Rally löst sich auf so wie sie sich acht Tage zuvor formiert hat. Was bleibt sind Eindrücke für den Rest des Lebens und die Sehnsucht nach weiteren Abenteuern.

 

Und ein Monat später bin ich zu meinem ersten Ultra-Bikepacking Gravel-Rennen angemeldet. The story continues. Danke an das Team von Komoot, an Cali, Martha, Ashley, Lael, Rue und alle Fahrerinnen, die mich inspiriert haben und mit mir gefahren sind. 

HIER haben wir eine komplette Packliste für die Badlands Rally für euch.  

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