2 Frauen beim größten Bikepacking-Event Europas

Der Tuscany Trail

Sigrid (links) mit ihrem Trek Checkpoint und Karin mit ihrem Specialized Diverge. 

Der Tuscany Trail – verlockende Auszeit im Frühling in der warmen Toskana…

November 2023: Draußen ist es kalt und grau. Eine Werbeanzeige auf Instagram. Tuscany Trail. Was auch immer das genau ist, es sieht schön aus. Nach etwa 1-minütiger Recherche steht fest: Irgendwann im Mai, Sonne, 460 Kilometer, mehr als 5.000 Höhenmeter und das ganze am Rad. Passt, da melden wir uns jetzt an! Die Aussicht auf Sonne ist völlig ausreichend, um gar nicht weiter darüber nachzudenken. 

Die virtuelle Fahrradwelt, sprich Zwift, leistet im Winter gute Dienste. Auch wenn es nicht besonders spannend ist, den Col de la irgendwas hinaufzufahren, gilt die Devise: Kilometer sind Kilometer und werden die Fahrt in der Toskana einfacher machen. 

Für die über 1000 km lange Anreise aus dem Mühlviertel musste Karins alter Skoda herhalten. Das nächste Mal vielleicht doch lieber mit der Bahn. 

Die Vorbereitungen für den Tuscany Trail: Zwift, Rolle und Fahrrad-Umbauten

So vergeht der Frühling und Anfang Mai sind wir bereits damit beschäftigt, unsere Gravel Bikes fit für unser gemeinsames Abenteuer zu machen. Bei den Packlösungen werden wir von Topeak unterstützt, das macht die ganze Sache wesentlich einfacher. Mehr dazu in einem separaten Beitrag. 

Oberrohrtasche, Lenkerrolle, Satteltasche und so viel mehr: Ich komme vom Ultralaufen und bin es gewöhnt, meinen Laufrucksack zu packen, aber so viel Material für ein paar Tage auf ein Rad zu bekommen ist für mich neu und doch eine Herausforderung. Schließlich geht es nicht nur darum, fit genug zu sein, sondern in dem Fall gibt es auch ein Fahrrad, das möglicherweise einen Defekt haben kann. Das wünscht sich niemand, aber im Fall des Falles muss man sein Rad auch reparieren können. Das bedeutet: Dichtmilch, Kettenöl, Werkzeug, Pumpe, … alles muss aufs Rad und resultiert in zusätzlichem Gewicht. 

Ein Tag mit Packen ist schnell vorbei. Schlafen werden wir in Pensionen, das sollte ja in der Toskana nicht allzu schwierig sein. Deshalb sparen wir uns Zelt, Schlafsack, Isomatte und Kocher – das macht die ganze Sache ein bisschen einfacher. 

Abfahrt zum Tuscany Trail nach Donoratico und Plan B

Tag X kommt schnell herbei und wir machen uns auf die Reise in die 1.000 Kilometer entfernte Toskana. Wir freuen uns auf die Sonne, Radfahren, guten Cappuccino und Zeit zu zweit. Im Auto haben wir es gemütlich und nach ein paar Stunden beschließe ich, doch einmal die Unterkünfte zu checken. Was in unseren Köpfen so einfach sein sollte, scheint ein wenig schwieriger zu sein als erwartet. “Da ist ja gar nichts frei. … Was, so teuer?” Jetzt brauchen wir schon im Vorhinein einen Plan B. “Gab es nicht beim Diskonter vor kurzem Schlafsäcke?” Es ist ja nicht so, dass jeder mindestens 5 zuhause hat, aber hier im Auto haben wir natürlich nichts. Ach, wir wollten doch sowieso eine Pause machen. Dann gehen wir eben einkaufen. Ein dünner Schlafsack um 15 Euro – wir wollten doch schon immer testen, wie gut diese im Gegensatz zu teuren Markenprodukten sind, oder? 

Den Spaß kann uns keiner nehmen, wir haben noch einige Stunden Fahrt vor uns, doch was schlafen betrifft, sind wir jetzt auf der sicheren Seite. 

Der Verkehr ist eine kleine Katastrophe, erst mitten in der Nacht erreichen wir unsere Unterkunft in der Toskana und fallen schnell in unsere Betten, um am nächsten Tag mit ausreichend Energie in unser Abenteuer zu starten. 

Donoratico – der Start des Tuscany Trails

Der Startort ist leicht zu finden, wir holen unsere Startnummern, Trikots und Caps. Es gibt hier einen gleitenden Start, das heißt, jeder bestimmt selbst, wann er losfährt. So hat man keinen Stress und auch das Feld zieht sich bereits zu Beginn weit auseinander – was bei mehr als 4.700 Teilnehmern wirklich gut ist. Überhaupt Chapeau an die Organisation. Ich weiß nicht, wo die vielen Starter sind? Es ist alles sehr stressbefreit. Mit unseren Nummern machen wir uns auf zum Auto, bereiten unsere Räder vor, packen die Taschen auf das Rad und versuchen, unser Setup so gut wie möglich beisammen zu haben. 

Karin hat ja eine Menge Erfahrung, ich dagegen gar keine. “Wie mach ich das jetzt mit dieser komischen Lenkerrolle? Das nervt!” So geht es weiter. Danke für die Geduld an der Stelle. Zelt und Schlafsack müssen jetzt auch aufs Rad – war so nicht geplant, aber unverhofft kommt oft und mit dem Rad ist man schließlich flexibel. Es wird Zeit, dass wir endlich losfahren. “Ja bist du deppert, wie schwer ist denn dieses Rad?” Ich bin wahrlich ein Bikepacking Profi. Das kann ja heiter werden…. 

Technische Passagen wechseln mit Asphalt

Wir rollen los, doch schon bald sollen wir merken, dass der Tuscany Trail ein Mix aus einfachen und sehr technischen, steilen Passagen ist! Es braucht eine Menge Kraft in den Beinen, um hier hoch zu kommen, manches Stück legt man lieber schiebend zurück. An Rädern sieht man hier alles mögliche: Mountainbikes, Gravelbikes (großteils), Rennräder mit unglaublich dünnen Reifen. Doch eines haben wir alle gemeinsam: Die Lust auf dieses Abenteuer und eine große Liebe zu Zweirädern. 

Für mich ist es eine völlig neue Erfahrung: Ein Rennen, das keines ist. Es gibt einen GPS Track, jeder ist auf der gleichen Strecke unterwegs, aber wie lange das dauert, wie man sich die Abschnitte einteilt, all das ist jedem selbst überlassen. Auch eine Wertung gibt es nicht. 

Steile Rampen, Polenta und Cappuccino

Unser erster (Nachmit)Tag vergeht wie im Flug – ein Wechsel aus einfachen Forstraßen gemischt mit Rampen bis zu 15% Steigung. Absteigen oder fahren? Am ersten Tag will man sich ja doch keine Blöße geben und versucht, zu treten, was zu treten ist. Zwischendurch wird Cappuccino getrunken, es werden Bahnunterführungen durchquert (total einfach mit einem etwa 20-Kilo-Rad und Polenta gegessen. Am Abend genießen wir einen wunderschönen Sonnenuntergang am Meer. Bleibt nur noch die Frage, wo wir heute wohl schlafen? Wir brauchen einen Campingplatz. Mit einem Zelt ist das recht unkompliziert. Kurz bevor alle schließt, bekommen wir sogar noch ein Bier – das haben wir uns verdient, auch wenn es uns noch müder macht, als wir ohnehin schon sind. 

Am nächsten Morgen fahren wir auch erst einmal in eine Stadt und versorgen uns für den Tag mit Sandwiches. Sehr schnell gelangen wir in einen wunderschönen Streckenabschnitt, der Strada Bianchi. Es könnte nicht kitschiger sein. Offensichtlich fahren wir den schwarzen Wolken davon, plagen uns die steilen Anstiege hinauf und sind so richtig in der Toskana gelandet. Ich hatte mich vor dem Event so gar nicht mit den einzelnen Orten bzw. der Strecke beschäftigt – das hier ist einfach ein Traum. Von Defekten bleiben wir glücklicherweise verschont – was angesichts der spitzen Steine ein absolutes Wunder ist. Tubeless sei Dank! 

Wir fahren bis weit in die Nacht hinein, es ist nach Mitternacht, als wir am Campingplatz in Siena ankommen und uns nach weit über 100 Kilometern endlich schlafen legen dürfen. 

Am nächsten Morgen greift der Hunger durch. Die Bank vor dem Supermarkt beanspruchen wir, um Jause für den ganzen Tag vorzubereiten. Natürlich könnte man zwischendurch auch essen gehen, wir sind aber mehr vom Typ ‘Selbstmacher’ und begnügen uns in der Regel mit italienischem Cappuccino. Ganz besonders schön ist das kleine Örtchen XY mit einem wunderschönen Marktplatz. Die Räder liegen überall. Wer kein Rennen fährt, macht hier kurz Pause, um das toskanische Flair zu genießen. 

Die Abfahrt danach ist – wie so oft – spektakulär steil. Wer denkt, beim Tuscany Trail eine einfache Strecke vorzufinden, irrt. Sehr oft wünschte ich, ein Fully unter dem Hintern zu haben (aber natürlich ist alles mit dem Gravel fahrbar). 

Mitten im Wald taucht plötzlich eine Labestation auf. Ein paar Einheimische lassen es sich nicht nehmen, Rotwein und typisch toskanische Gerichte ‘Panzanella’ aufzutischen. 

Wenig später und gut gestärkt erreichen wir das malerische San Gimignano. Eine Pause dort ist Pflicht! Wir lehnen unsere Bikes an die Mauern, trinken Kaffee und genießen die warmen Sonnenstrahlen. 

Die Abfahrt, die danach folgt… nennen wir es einfach: Schiebepassage. Auch mit einem Mountainbike würde ich hier nicht mehr bergab fahren. Große Steine, viele Steine, zu viele Steine. Alle schieben, manch einer flucht, doch was soll’s. 

 

Nachdem wir nur 4 Tage Zeit haben, beratschlagen wir danach, was wir machen. Die Nacht durchfahren ist für uns zu dem Zeitpunkt keine Option – nachdem es eben kein Rennen ist. 

Wir beschließen, ein kleines Stück abzukürzen und bis Rosignano zu fahren. 

Zuvor kommen wir noch durch Volterra – ebenfalls malerisch. Ich habe auch beim Tippen dieses Berichts nicht vergessen, wie anstrengend es zwischendurch war, aber alles, was man hier sieht und erlebt, ist es mehr als wert. 

 

Für unsere letzte Nacht genehmigen wir uns ein Airbnb und suchen eine Pizzeria. Dazu Rotwein. Herrlich! 

Der nächste Vormittag soll schon unser Abschluss sein, ehe wir wieder nach Hause fahren müssen. Es rollt, wir haben vor allem beim Überholen so manch ehrgeiziger Männer unseren Spaß. An der Stelle sei noch gesagt: Der Anteil der Männer ist wirklich überproportional hoch bzw. jener der Frauen extrem gering. Mehr als 5% sind hier nicht weiblich – warum, wissen wir selbst nicht genau, aber es wäre schön, wenn dem anders wäre. 

 

Wir sind glücklich und zufrieden, als wir wieder im Startort ankommen, dort ein obligatorisches Finisher Foto machen und – wie könnte es anders sein – noch einen Kaffee trinken, bevor wir die lange Reise nach Hause antreten. 

Unser Fazit zum Tuscany Trail

 

Würden wir wieder kommen? Ja. 

Würden wir uns etwas mehr Zeit lassen? Ja. 

Ist der Start trotz so vieler Fahrer empfehlenswert? Ebenfalls ja, es ist kein Stress, sondern eine Gemeinschaft; zurecht ist der Tuscany Trail das größte Bikepacking Event Europas.

…und HIER findet ihr unser Bike-Setup mit Packliste für euren nächsten Tuscany Trail

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